Aus dem Leben einer selbstbestimmten Sexarbeiterin

Magdeburg: Fotoausstellung „Sexworker“ und Vortrag zum internationalen Hurentag

Johanna Weber -- 02.06.2023   Themen: Kolleg*innen Kunst&Kultur Politik

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Der internationale Hurentag wird alljährlich am 2 Juni begangen. Er geht zurück auf die Besetzung einer Kirche im französischen Lyon in 2.Juni 1975. Dort verschanzten sich über 100 „Huren“, um gegen die dortigen schlechten Arbeitsbedingungen zu protestieren. Dies gilt als Beginn der Hurenbewegung.

Zur Feier des 2.Juni-Tages bin ich in diesem Jahr nach Magdeburg gefahren. Dort ist aktuell die Ausstellung „Sex-Workers – das ganz normale Leben“ zu sehen.
Es handelt sich dabei um eine Fotoausstellung, die Auszüge aus einem großformatigen Bildband von Tim Oehler zeigt.

Oehler portraitierte über 30 Sexarbeitende und zeigt jede sowohl auf der Arbeit als auch im Alltag.

Die dazugehörigen Texte wurden von den Sexarbeitenden selber geschrieben und es stand ihnen frei, wie und was sie dazu beitragen wollten. Auch Ausschnitte dieser Texte sind in der Ausstellung zu finden.

Die Beratungsstelle Magdalena, hatte diese Foto-Ausstellung organisiert.
Es handelt sich um eine Wanderausstellung, die in Magdeburg den Aufschlag nimmt und bundesweit zu sehen sein wird.

Die Eröffnung am 11.5.23 war ein großer Erfolg, und sogar Fotograf, Tim Oehler, war persönlich da. Ein ausgesprochen sympatischer und weltoffener Mensch.

Noch voller war es heute zum Vortrag von Versuchung Lydia, die aus dem Leben einer selbstbestimmten Sexarbeiterin erzählte.

Alle Stühle waren besetzt - die Leute saßen auf dem Boden und drängten fast zur Tür hinaus.

Lydia war wie immer perfekt geschminkt und die Haare damenhaft zur Seite gesteckt.
Immer wenn ich Lydia sehe, denke ich an den wunderbaren Schmink-Workshop, den sie vor Ewigkeiten auf einem Sexworkertreffen gegeben hat. Und ich wende das damals Gelernte immer noch an. Ja, auch wenn zwischen mir und der Meisterin noch Meilen liegen…

Lydia erzählt von ihrem persönlichen Werdegang.
Dass sie eine ganz normale Büroausbildung abgeschlossem hat,
und ganz unspektakulär erwähnt sie, dass sie dann Haus und Hotelbesuche gemacht hat. Frei nach dem Motto „Ich war jung und brauchte das Geld“
Solche „abgegriffenen“ Formulierungen gehören allerdings nicht unbedingt zu Lydias Sprachschatz.

Sie stellt dar, dass sie viele Möglichkeiten zu normalen Berufen gehabt hat und immer wieder gesellschaftskonform gearbeitet hat, aber dass sie immer wieder auf die Sexarbeit zurück gekommen ist.

Sie beantwortet viele der Basic-Fragen, die uns Sexarbeitende immer wieder gestellt werden.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag einer Sexarbeiterin aus?

Eigentlich ganz normal. Aber genau das ist wichtig zu erzählen. Es ist wichtig, dass Menschen sehen, wir normal unsere Tätigkeit sein kann und sein sollte.
Einkaufen - Essen kochen - Katzen füttern…

Sehr schön beschreibt Lydia auch einen typischen Termin mit ihren Kund*innen.
Begrüßung - Käffchen - Smaltalk - Duschen - Kuscheln - Erotik - Massage - Lachen - Smaltalk - Tschüß

Es geht dabei um viel mehr als den klassischen Sex.
Es geht um körperliche Nähe und Berührung, akzeptiert werden.
Ein großer Teil ihrer Kunden will einfach nur mal sein dürfen.
In den meisten derer Beziehungen läuft seit Jahren nichts mehr.

Lydia geht auch auf das Thema Gewalt und Übergriffe ein.

Sie sagt, dass ihr klares Auftreten dafür sorgt, dass es nicht zu Übergriffen kommt. Lydia ist seit 20 Jahren Sexarbeiterin. Sie arbeitet alleine in einer eigenen Arbeitswohnung und fühlt sich sicher.

Sie weist auch auf die Problematik von Menschenhandel hin. Ebenso erzählt sie, dass das Stigma eines der größten Probleme ist.
Sperrbezirke sind eigentlich zum Schutz der Allgemeinheit gedacht. Wie sagt Lydia so schön - sollen Sperrbezirke jedoch die Sexarbeit unsichtbar machen und aus der bürgerlichen Welt verdrängen.
Auch die Anmeldepflicht laut ProstituiertenSchutzGesetz bewertet sie sehr kritisch, denn es werden viele in die Illegalität getrieben, die aus Angst vor einem Outing sich nicht anmelden können.

Wir ließen den Abend bei Wein und Prosecco ausklingen.


Infos und Kontaktmöglichkeit zur Kollegin Lydia finden sich HIER -> https://versuchung-lydia.de/

Infos über das Fotobuch "Sex-Workers / Das ganz normale Leben"

Buchbestellungen gerne über Tim Oehler persönlich -> t.oehler@werbewerkstattgmbh.de

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