Berufsausbildung für Prostituierte

Vor- und Nachteile von Professionalisierung für Sexarbeitende

Johanna Weber -- 22.03.2017   Themen: Gedanken Politik

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Ich träume von einem breit angelegten Fortbildungs-Netz für Sexarbeitende aller Art. Mir schwebt da so etwas wie eine berufsbezogene Volkshochschule vor. Unser Berufsverband arbeitet dran, aber meine Idee ist wohl doch etwas unrealistisch und die Brötchen sollten etwas kleiner gebacken werden.

Was kann ich denn zum Gelingen dessen beitragen? Dominaausbildung ???

Ich halte dies aber für keinen guten Ansatz. So wird wieder das Bild vermittelt, dass Dominas was Besseres seinen und jegliche Art von Professionalisierung nur in diese Richtung gehen kann.

Das entspricht überhaupt nicht meiner Meinung. Ich habe selber lange genug in Bordellen und als Escortdame gearbeitet, um zu wissen, dass dies eine sehr anspruchsvolle und bereichernde Tätigkeit sein kann. Viele Kolleginnen in dem Bereich sind sehr zufrieden und haben ganz andere Fortbildungswünsche und Bedürfnisse nach Fachwissen als eine „Umschulung“ zur Domina.

Dabei wird dann oft der Ruf nach einer Berufsausbildung für Sexarbeitende laut.

Dieser Ruf kommt interessanterweise selten von den betroffenen Kolleg:innen selber, sondern von gutmeinenden Außenstehenden. Und in gewisser Weise haben diese ja auch Recht. Eine anerkannte Ausbildung zum Beruf der/des Sexdienstleistenden (oder wie auch immer dieser Beruf dann zu nennen wäre) würde viel Normalität in unsere Tätigkeit bringen.

Das Ansehen unserer Branche würde sich wahrscheinlich verbessern, und somit wäre dies ein großer Beitrag zur Entstigmatisierung vpn Sexarbeit/Prostitution. Es darf auch davon ausgegangen werden, dass ein anerkannter Berufsabschluss das Selbstwertgefühl vieler Kolleg:innen erhöhen würde. Vielleicht würde auch die Qualität unserer Arbeit steigen und damit auch die Preise - was für Verbraucher schlecht wäre aber für die Sexarbeitenden gut.

So viele positive Argumente.
Und wieso bin ich dennoch dagegen?

Das eben skizzierte Bild ist eine sehr gutmenschliche Herangehensweise und entspricht leider in keinster Weise der Lebenswirklichkeit in unserer Branche.

Der Haupt-Einstiegsgrund in die Sexarbeit ist monetär. Es geht dabei nicht nur um die übliche Notwendigkeit, dass man seinen Lebensunterhalt durch Arbeit bestreiten muss, sondern es handelt sich oft um die totale Pleite, einen riesengroßen Schuldenberg, und bei Migrant:innen oft um große wirtschaftliche Not in den Heimatländern. Aber man muss gar nicht über irgendwelche Ländergrenzen gehen, denn auch in Deutschland gibt es Not. Als alleinerziehende Mutter ist es schon schwer die beiden Kinder mit Hartz4 durchzubringen...

Böse Stimmen würde jetzt sagen, dass Not als Einstiegskriterium ja einer freien Entscheidung im Wege steht und es sich somit um Zwangsprostituion handelt.

Das ist aber glücklicherweise zu kurz gedacht. Viele Kolleg:innen, die in schwierigen finanziellen Lebenslagen sind, empfinden es als befreiend, endlich die Schuldenlast abzahlen zu können, endlich den Kindern die Klassenfahrt ermöglichen zu können, endlich der schwerkranken Mutter in der Heimat das Geld für die Operation geben zu können oder einfach nur für sich selber eine auskömmliche Perspektive zu haben und nicht mehr von der Hand in den Mund leben zu müssen.

Gerade diese sehr große Personengruppe schließen wir mit dem Konzept „Berufsausbildung“ aus, denn das Lehrlingsgehalt ist ja viel zu niedrig um die oben genannten Bedürfnisse zu erfüllen. Außerdem reichen die Sprachkenntnisse zu Beginn gerade um sich mit Händen, Füßen und Charme mit den Kunden zu verständigen, aber nicht um auf einer Berufsschule zu bestehen.

Eine klassische Pflichtausbildung scheidet also aus. Eine freiwillige Ausbildung oder nebenberufliche Professionalisierungsmaßnahmen würde aber die eben genannten Sexarbeitenden nicht erreichen.

Würde man hier zwangsläufig ein zwei Klassen-System herbeiführen?

Gibt es da Beispiele aus anderen Branchen? Nun, da fallen mir die Jounalist:innen ein. Dort gibt es Leute mit Studium, Leute mit einer Ausbildung in Form von Volontariat und solche, die einfach schreiben weil sie es können oder meinen es zu können. Theoretisch kann auch ohne jegliche Ausbildung Chefredakteur:in einer großen Zeitung werden.

Ich möchte hier keine Übertragbarkeitsstudie auf meine Branche anstellen. denn ich bin mir sehr unsicher, ob dieses Konzept für die Sexarbeit funktionieren würde.
Aber manchmal träume ich vom berufsbegleitenden Professionalisierungsmaßnahmen und Ähnlichem,
und ich habe die Idee noch nicht zu den Akten gelegt.


Mehr über den Beruf Sexarbeit auf der Webseite des Berufsverbandes für erotische und sexuelle Dienstleistungen -> https://www.berufsverband-sexarbeit.de/

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