Dank an Alice Schwarzer

Petition PRO Prostitution

Johanna Weber -- 09.11.2013   Themen: Politik

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Eigentlich wollte ich ja Mal wieder was Lustvolles schreiben, denn so was erwarten meine Leser ja schließlich hier in meinem BLOG, aber da mein Freund neulich behauptet hat, ich würde mich total an den ganzen Anti-Prostitutions-Aktionen aufgeilen, kann ich darüber ja auch hier schreiben.

Was ist denn überhaupt passiert?
Also, vor drei Wochen hat sich unser Berufsverband für erotische und sexuelle Dienstleistungen gegründet. Fast gleichzeitig ging es Frau Schwarzer Mal wieder um die Abschaffung unseres Berufsstandes. Nun gut, das Thema bewegte die arme Frau schon länger, aber diesmal hatte sie sich etwas wirkliche Kluges zur Untermauerung ihrer Forderungen ausgedacht - sie schickte einen Appell GEGEN Prostitution an die Bundestagsabgeordneten. 1)

Es handelt sich um eine journalistisch geschickte Aneinanderreihung von Polemiken, falschen Zahlen und direkter Verknüpfung von Dingen, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben.

Ich muss zugeben, dass der Appell sehr gut aufgebaut und geschrieben ist. Wenn man nicht drüber nachdenkt und keinerlei Fachwissen über unsere Branche hat, dann ist man am Ende des Lesens tatsächlich der Meinung, dass das schreckliche System der Prostitution endlich abgeschafft werden muss.

Bei einigen Unterzeichnern war ich echt enttäuscht.
Wolfgang Niedecken - Ja, ich habe sofort meine BAB Schallplatten weggeworfen. OK, hab eh keinen Plattenspieler mehr.
Reinhard Mey - tja, soll ich jetzt nie wieder über den Wolken singen?
OK, so weit muss man es nicht treiben.

Die Politiker hat der Appell zum Glück nicht so sehr beeindruckt.

„Macht euch keine Sorgen,“ erklärten uns Insider. Die Politiker würden doch etwas seriöser arbeiten, aber die Presse würde das nicht tun. Damit sollten sie recht behalten.

Nun stellte sich für unseren Berufsverband die Frage, ob wir die ganze Sache ignorieren sollten oder durch einen Gegenappell noch mehr Aufmerksamkeit auf Frau Schwarzer lenken.

Da waren wir dann aber auch Mal schlau, denn wir beschlossen, unseren noch völlig unbekannten Berufsverband auf diese Art bekannt zu machen. In einer Nacht- und Nebel-Aktion schrieben wir gemeinsam an einem Text zu unserer Definition von Prostitution, unserer Meinung zu den aktuellen Zuständen in unserer Branche und listeten unsere Haupt-Forderungen auf. Wir wollten nicht direkt Bezug auf den Schwarzer-Text nehmen, denn das schien uns zu primitiv.

Um nicht im Papierkorb der Zeitungsreaktionen zu versinken wählten wir den sehr provokanten Titel „Appell pro Prostitution“ für die Aktion.

Dass der pressetechnisch geschickte Titel sich im Nachhinein als nicht ganz so günstig zeigen würde, war uns nicht klar. Einige Unterschreibwütige hatten ein echtes Problem sich so offen zur Prostitution zu bekennen. Sie meinten, dass sie damit auch die schlimmen Zustände rund um das „Milieu“ bejahen würden. Was sie nicht offen gesagt haben war, dass sie eigentlich auch ein Problem mit dem gesellschaftlichen Moral rund um die Prostitution haben. Wie sieht denn das aus, wenn sie auf so einer Liste stehen?

Die ganze Aufregung kann ich verstehen, und sie zeigt sehr deutlich mit was für einer Stigmatisierung wir tagtäglich leben müssen.

Ich möchte nur noch Mal sagen, dass auch wir die „schlimmen Zustände“ gerne verändern würden. Wir erklären aber im ersten Absatz, dass Prostitution und Menschenhandel zwei Paar Schuhe sind.

Prostitution kann nur freiwillig erfolgen, alles andere sind Straftatbestände, die auch wir geahndet sehen wollen.

Aber wie ging es denn nun eigentlich weiter mit unserem Appel, den wir formuliert hatten?
Meine Mitstreiterinnen meinten, dass wir auch Unterschriften sammeln sollten. Ich fand das ja total albern, habe mich aber glücklicherweise nicht durchsetzen können, denn angeblich soll die gesamte Emma-Redaktion immer wieder unsere Unterschriftenliste studieren und nachzählen. Hmm, das ist gut. Vielleicht sollte ich Mal dort anrufen und nachfragen wie viele es denn sind. Wir zählen die nämlich gar nicht. Wir sehen uns gar nicht wirklich im Wettstreit.

Interessant finde ich, dass bei uns die Menschen unterschrieben haben, die unsere Branche kennen.

Als da wären Beratungsstellen für Prostituierte, Gesundheitsämter, die AIDS-Hilfe, Juristen, Kriminologen... sogar explizite Menschenhandels-Organisationen... von den ganzen Sexarbeiterinnen wollen wir gar nicht reden. Letztere müßten doch eigentlich bei Frau Schwarzer unterschreiben und froh sein, dass sie endlich „gerettet“ werden.

Nie im Leben hätte ich gedacht, dass es möglich ist innerhalb so kurzer Zeit solch eine Medienpräsenz zu erlagen. Seit Veröffentlichung unseres Appells klingelt mein Telefon extrem oft. Leider nicht, weil so viele Kunden eine Session buchen wollen, sondern wegen der Presseanfragen. Die Journalisten stürzten sich auf unseren Berufsverband. Immer die selben Fragen, aber wir hatten endlich die Möglichkeit etwas gegen die Vorurteile auch in den Köpfen der schreibenden Zunft zu tun. Da haben wir noch viel zu tun, aber viele hören uns wirklich zu und sind ehrlich interessiert an uns und unserem Thema.

Vielen Journalisten merkt man wirklich an, dass auch sie auf diese Anti-Prostitutions-Nummer echt keinen Bock haben.

Leider schreiben sie dann ihren Artikel doch wieder in die Richtung, denn die Chefredaktion will es so. Aber ich bin trotzdem extrem zufrieden, denn wir sind innerhalb weniger Wochen zu einer Medienpräsenz gekommen, die wir sonst in zehn Jahren nicht erlangt hätten.

Danke Alice


1) Apell GEGEN Prostitution https://www.emma.de/unterzeichnen-der-appell-gegen-prostitution-311923

Der Apell PRO Prostitution des BesD ist nicht mehr online.
Wir kamen damit dem Wunsch vieler Unterzeichner nach, nicht mehr von Suchmaschinen im Zusammenhang mit Prostitution gefunden zu werden.
Infos finden sich bei Wikipedia

-> https://de.wikipedia.org/wiki/Appell_FÜR_Prostitution_für_die_Stärkung_der_Rechte_und_für_die_Verbesserung_der_Lebens-_und_Arbeitsbedingungen_von_Menschen_in_der_Sexarbeit

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