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Beim Aufräumen fand ich einen alten Pressebeitrag über mich wieder. Die ZEIT-Serie „Wie es wirklich ist“ soll Menschen zu Wort kommen lassen, die ungewöhnliche Situationen erlebt haben. Es geht dabei um die persönliche Darstellung und nicht um eine Themenrecherche. Die Journalistin, Julia Kopatzki hat mich sehr einfühlsam interviewt und mein Gebrabbel in etwas schönere Sätze gepackt.
Der Text wurde leider nicht online veröffentlicht.
Als erstes wollte ich es auf der Reeperbahn versuchen. Ich habe mir von der Beratungsstelle Hydra Bücher empfehlen lassen, und als ich das Gefühl hatte, genug über den Beruf zu wissen, bin ich losgezogen. Was ich tun muss, um hier zu arbeiten, habe ich die Frauen auf der Straße gefragt, doch als die mich ihrem Zuhälter vorstellen wollten, wurde mir klar, dass das hier vielleicht nicht der richtige Arbeitsplatz für mich ist.
Ich war 25 Jahre alt, habe studiert und wollte bloß nebenbei als Prostituierte arbeiten. Mich hat das Abenteuer gereizt, das Sprengen der gesellschaftlichen Konventionen – und das Geld. Ich dachte, ich würde an einem Tag so viel verdienen, wie meine Kommilitonen in einem Monat im Taxi.
Über eine Zeitungsannonce bin ich bei einer kleinen Escortagentur gelandet. Die Inhaberin war sehr nett, hat selbst noch als Escort gearbeitet und konnte mir viel über den Beruf erzählen – und sie hatte einen Stammkunden, einen älteren Herren, der gerne Neues ausprobierte. Das war für mich genau das Richtige: Ältere Männer waren absolut nicht mein Beuteschema, so konnte ich herausfinden, ob ich Sex auch tatsächlich professionell anbieten kann oder nur, wenn mir jemand gefällt.
Die Inhaberin der Agentur hat mich zu dem Mann nach Hause gefahren und wollte im Auto auf mich warten. Es hat mich beruhigt, dass da jemand war, mit dem ich danach auf jeden Fall reden können würde, ganz egal wie es gelaufen ist.
Er kam mir wirklich alt vor, nie im Leben hätte ich mit so jemandem geflirtet, aber er war mir sehr sympathisch. Ich habe dann einfach angefangen, habe mich ausgezogen, dann ihn und gemacht, worauf ich selber Lust hatte – und das war wohl sehr richtig. Das hat mir gezeigt, dass ich es total gut kann, mit irgendwelchen Menschen Sex zu haben. Wie viel Geld ich bekommen habe, weiß ich gar nicht mehr, aber ich weiß, dass es mir unendlich viel vorkam.
Danach war ich mit der Chefin der Agentur in einer Kneipe essen, sie hat von sich erzählt, ich von mir. Alles war so normal, dass ich gar nicht auf die Idee kam, das in Frage zu stellen und ich bin dabei geblieben. Erst nur drei Jahre, neben dem Studium. Ich war Single und habe vor allem gemacht, was mir Lust bereitete. Pro Woche hatte ich zwei bis drei Kunden, so viel Sex haben andere junge Frauen privat.
Später wollte ich es aber wissen und habe in Wohnungsbordellen sehr viele Kunden an einem Tag gemacht. Am wichtigsten sind eigentlich die anderen Frauen, mit denen man sich über schlechte Tage austauschen kann, denn den privaten Freunden von einem blöden Freier beim Wein zu erzählen kommt leider nicht so gut an.
Und dabei ist es ein Job wie jeder andere:
Den allerersten Mann habe ich übrigens nie wiedergesehen. Aber der probierte ja auch am liebsten Neues aus.
Aufgezeichnet von Julia Kopatzki