Gründung des Berufsverbandes für Sexarbeitende

Entstehung der neuen Prostituierten-Gewerkschaft

Johanna Weber -- 13.10.2013   Themen: Politik Persönliches

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„Es ist ein historischer Moment,“ verkündete die Moderatorin mit ergriffener Stimme. Nach einer zweitägigen Mammutsitzung war es vollbracht. Der Berufsverband für erotische und sexuelle Dienstleistungen war gegründet.

Ich selber bin mehr oder weniger diejenige gewesen, die dies alles angezettelt hatte. Um so glücklicher war ich, zu sehen, wie viele großartige Menschen sich hier zusammengefunden hatten und auch schon im Vorwege effektiv mitgearbeitet hatten. Und noch besser ist, dass sie dies auch in Zukunft tun wollen und auch werden. Wir haben ein solides Fundament, dass auf viele Schultern verteilt ist.

Einig waren uns, dass unsere Tätigkeit eine Dienstleistung ist und als ein Beruf anzuerkennen ist.

Das spricht nur im ersten Moment gegen den Wahlspruch „Sexarbeit ist ARBEIT“, der gerne von uns verwendet wird. Mit diesem Ausspruch soll darauf aufmerksam gemacht werden, dass unsere Tätigkeit kein tragisches Schicksal ist, sondern ein Beruf, den wir uns selber ausgesucht haben. Wir wollen dabei nicht so tun, als ob es der normalste Beruf der Welt ist und es keinerlei Missstände gibt. Ja, es gibt miese Absteigen, wo dann auch noch viel zu hohe Mieten verlangt werden. Entgegen der öffentlichen Darstellung wissen wir, dass es sich dabei um Randerscheinungen handelt. Auch gibt es Kolleginnen, die Opfer von Menschenhandel sind, aber auch dabei handelt es sich um Randerscheinungen.

Ja, das ist mein Ernst.

Wenn wir die in den Medien immer wieder verwendete Zahl von 400.000 Prostituierten in Deutschland nehmen und diese in Relation zu den im Bundeslagebild der Polizei veröffentlichten Zahlen von Menschenhandelsopfern zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung setzen, dann wird deutlich:

Es sich um ein Problem im Promillebereich.

Es gab im Jahr 2011 lediglich 640 Menschenhandelsopfer zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung. Das macht dann also 0,16%. Ich will hier jetzt nicht die Argumentation über Dunkelziffern aufnehmen, denn selbst bei einer Dunkelziffer von 90% - man beachte die Höhe der Zahl - sind wir erst bei 1,44%. 1)

Auf keinen Fall möchte ich damit das Schicksal der betroffenen Opfer verharmlosen, ich möchte aber aufzeigen, dass es nicht korrekt ist, eine ganze Branche unter diesem Blickwinkel zu betrachten.

Ich persönlich fordere eine strickte Trennung zwischen Menschenhandel und Prostitution. Nicht nur in Boulevardmedien wird statt Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung ausschließlich mit dem Wort Zwangsprostitution gearbeitet.

Und Zwangsprostitution ist gleich Prostitution. Zumindest wird es so dargestellt.

Es erscheint so, als ob es unmöglich ist, diese Tätigkeit ohne Zwang auszuüben.
Oh weh, ich schreibe mich gerade in Rage....
Es geht ja um unseren Berufsverband. Wir selbstbestimmten Sexarbeiter_innen sind keine Ausnahmen, sondern die Mehrheit. Und das wollen wir jetzt zeigen. Wir haben nun zwei Tage über die Inhalte der Satzung und unsere Forderungen diskutiert. Das ist eine beachtliche Leistung wenn man bedenkt wie lange solche Dinge an anderen Orten dauern.... ich will jetzt nicht über Koalitionsverhandlungen reden....

Eines unserer Ziele ist, dass wir ab jetzt nicht mehr ignoriert werden wollen, sondern mitreden wollen.

Wir sind die Expert_innen für unsere Branche und möchten in Zukunft konstruktiv auch an gesetzlichen Bestimmungen mitarbeiten. Es soll nicht mehr nur ÜBER uns, sondern MIT uns geredet werden. Wir sind da und bieten ab jetzt kompetente Ansprechpersonen.

Und ich bin sehr stolz, dass ich dabei sein darf.


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