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Ich bin die politische Sprecherin des Berufsverbandes für Sexarbeitende (BesD). Dies schon seit über 10 Jahren.
Nein, ich gehe nicht täglich im Bundestag ein und aus, aber die Besuche dort machen mich mittlerweile nicht mehr nervös. Da sitzen auch nur Menschen, und mit denen kann man reden oder eben nicht. Ich weiß mittlerweile, dass ich die Welt nicht verändern kann, aber ein Stück dazu beitragen.
Neuwahlen stehen vor der Tür.
In meiner Branche macht sich die Angst breit, dass mit einer CDU-Mehrheit auch das nordische Modell in den zukünftigen Bundestag einzieht. Die Union verwendet das Wort „Sexkaufverbot“ und hat dies in ihrem Grundsatzprogramm verankert 1). Übrigens als einzige Partei. Aber die Frauen-Union 2) und allen voran CSU-Frau Bär 3) bringen das Thema unermüdlich in Politk und Medien. Es entsteht der Eindruck, Frau Bärs erste Amtshandlung im neuen Bundestag wird die Einführung des Sexkaufverbotes.
Als politische Sprecherin des Berufsverbandes für Sexarbeitende (BesD) gehört auch das Erklären politischer Zusammenhänge zu meinen Aufgaben.
Zunächst muss man wissen, dass die Fertigstellung eines komplett neuen Gesetzes oftmals Jahre dauert.
Selbst wenn sich schnell eine Mehrheit für das CDU-Unterfangen finden würde, muss das noch durch diverse Ausschußsitzungen und Anhörungen.
Und dann muss sehr wahrscheinlich der Bundesrat zustimmen. Das sind also die Bundesländer, die vielleicht keine Lust haben die angedachten „Ausstiegsprojekte“ für Hunderttausende von Sexarbeitenden zu bezahlen bei gleichzeitigem Wegfallen der erquicklichen Steuereinnahmen aus der Prostitution.
Aber freuen wir uns nicht zu früh, denn die Bundesländer stimmen sehr oft zu - egal wie Scheiße das von der Budnesregierung kommende Gesetz ist.
Ich halte nicht viel von Blicken in die Glaskugel. Wenn wir davon ausgehen, dass die CDU/CSU die Mehrheit der Stimmen erhält, dann heißt das noch lange nicht, dass sie alles bestimmen können.
Sie benötigen Koalitionspartner, um über eine Mehrheit im Bundestag zu bekommen.
Die SPD ist schon gesetzt.
Aber werden diese beiden Parteien gemeinsam genug Stimmanteil haben?
Werden sie noch einen dritten Partner brauchen?
Wer könnte das sein?
Egal wer es sein wird, wie stehen denn die anderen Parteien zum Thema nordisches Modell?
Reihenfolge ist alphabetisch:
AfD - Dagegen
BSW - noch keine Position
FDP - Dagegen
Grüne - Dagegen
Linke - Dagegen
Es gibt im Moment keine offizielle Position der SPD zum Thema nordisches Modell. Da sich die Genoss*innen nicht einig werden können, steht und fällt das mit den SPD-Personen, die im nächsten Bundestag sitzen werden.
Die aktuell Zuständigen für unser Thema, die sich auch klar gegen das nordische Modell aussprechen, kommen vielleicht nicht wieder rein in den Bundestag. Ich bedauere das sehr. Somit ist komplett unsicher, bei wem unser Themenbereich landet.
Da die SPD sich aber nicht einig ist, werden sie sich hoffentlich in den Koalitonsverhandlungen nicht breit schlagen lassen und uns Sexarbeitende drauf geben. Ich hoffe, dass sie die Freierbestrafung ablehen und auf andere Lösungsansätze setzen: mehr Geld für Umstiegsprojekte und Beratungsstellen, Abwarten der Evaluation und dann mal sehen…
Ja, "... und dann mal sehen..." ist ein sehr beliebter Lösungsansatz in der Politk. Das habe ich auch schon gelernt.
Sexarbeit wird bei diesen Koalitionsverhandlungen nur eines der Randthemen im Bereich Frauen und Gleichstellung sein. Und weil es ja "eigentlich" gar nicht so wichtig ist, hoffe ich, dass die SPD das nicht verpennt.
Ich bin da aber guter Dinge.
Diese Frage höre ich oft. Der Gedanke dahinter ist, dass eine Frau Bär als Familienministerin vermeintlich frei schalten und walten kann in ihrem Ressort. Und ZACK, schon ist das Sexkaufverbot da.
Nein, glücklicherweise geht das so nicht.
Ja, aber es stimmt, wenn ein Ministerium CDU-geführt ist, dann setzen sich dort eher CDU-Tendenzen durch. Das ist logisch.
Allerdings haben wir in Deutschland keine Diktatur, und auch Minister*innen können nicht einfach durchmarschieren mit ihren Wunsch-Gesetzen.
Außerdem sehe ich Frau Bär noch lange nicht im Familienministerium sitzen. Das ist überhaupt kein Ministerium, welches die CDU interessiert. Es würde mich sehr wundern wenn die Union sich dafür meldet. Die SPD hingegen möchte unbedingt das Familienministerium haben, denn es gibt dort noch einige Herzensprojekte, die sie zu Ende machen oder anfangen wollen. Gewalthilfegesetz, Abschaffung des §218 (Abtreibung), Kindergrundsicherung, usw... Alles Dinge, bei denen ich nicht die CDU am Ruder sehen will.
Das Prostituierten Schutz Gesetz wird schon seit dem 1. Juli 2022 ausgewertet. Die Ergebnisse werden bis zum 1. Juli 2025 dem Deutschen Bundestag vorgelegt.
Es handelt sich um die größte jemals stattgefundene wissenschaftliche Untersuchung zum Thema Sexarbeit in Europa. Jedoch geht es dabei „nur“ um die Untersuchung des Gesetzes und die Folgen.
Doch das bildet eigentlich die komplette Branche ab.
Genau deshalb sind die Ergebnisse sehr wichtig, um gute Regelungen und Gesetze zu beschließen.
Die CDU wird die Ergebnisse anzweifeln und ignorieren. Ich vermute, dass dies nicht komplett gelingen wird.
Frage: Welches Modell der Prostitutionsregulierung bevorzug die Bevölkerung in Deutschland? 5) Hierzu führten die Forschenden Döring und Mohseni von der Uni Ilmenau eine bundesweite Online-Befragung durch.
Die Mehrheit wünscht sich das sogenannte „Legalisierungsmodell“, welches aktuell auch in Deutschland gilt. Dabei gilt Prostitution als akzeptabel. Sie soll aber zum Schutz der Prostituierten und der Gesellschaft nur unter Einhaltung gesonderter Regeln und Kontrollen legal sein. Prostitution wird abgegrenzt von Ausbeutung/Zwang/Gewalt/Menschenhandel, was generell strafbar ist.
Das nordische Modell ist noch lange nicht vom Tisch, aber wir haben gute Chancen, dass es vom Tisch kommt.
Deshalb müssen wir als Sexarbeitsbranche und auch unsere Kundschaft uns aber engagieren.
Wir brauchen dazu einen starken Berufsverband 6), der Lobbyartbeit macht. Also, alle Sexarbeitenden sollten Mitglied werden im Berufsverband 6) und alle anderen bitte ich um Geldspenden für unsere Arbeit 6).
Quellen:
zu 1)
Grundsatzprogramm der CDU Deutschlands, 2024
Seite 20: „Sexuelle Ausbeutung, Menschenhandel und Prostitution sind mit der Würde von Menschen nicht vereinbar. Deshalb unterstützen wir ein Sexkaufverbot und Hilfen beim Ausstieg aus der Prostitution.“
-> https://www.grundsatzprogramm-cdu.de
zu 2)
Frauenunion zum Thema
-> https://www.frauenunion.de/artikel/sexkaufverbot
zu 3)
Informationen zur Frau Bär (CSU) und Prostitution
-> www.zdf.de/nachrichten/csu-baer-sexkauf-verbot
zu 4)
Evaluation des ProstSchG
a) Familienministerium dazu
-> www.bmfsfj.de/evaluation-des-prostituiertenschutzgesetzes
b) Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) dazu
-> https://kfn.de/evaluation-des-prostituiertenschutzgesetzes-prostschg/
zu 5)
Umfrage: Welche Prostitutionsregulierung bevorzugt die Bevölkerung in Deutschland?
-> www.berufsverband-sexarbeit.de/umfrage-zu-sexarbeit-in-deutschland-grosse-mehrheit-lehnt-kriminalisierung-ab/
zu 6)
Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen
Mitglied werden -> www.berufsverband-sexarbeit.de/mitglied-werden/
Spenden -> www.berufsverband-sexarbeit.de/besd-unterstuetzen/