„Nutten sind Menschen“

Sexarbeitende wollen Stuttgarter Kampagne nicht!

Johanna Weber -- 26.04.2016   Themen: Politik

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Groß angelegt ist die Aktion in der baden-württembergischen Hauptstadt. Sechs Plakate sprechen eindeutige Worte, die im vermeintlichen Szenejargon Menschen zum Umdenken anregen sollen.

Mit Sätzen wie „Die Würde des Menschen ist auch beim Ficken unantastbar“ oder “Nutten sind Menschen“ sollen besonders unsere Kunden angesprochen werden.

Der Oberbürgermeister selber ist sich nicht zu schade für die Ehrenrettung von mir und meinen Kolleg:innen einzutreten. Medienwirksam läßt er sich als vermeintlicher Gutmensch neben die Plakaten ablichten.

Die Mitglieder des Berufsverbandes sind sich einig - diese Plakataktion schadet uns mehr als sie nützt. „Eine völlig falsche Image-Kampagne“, kommt es kopfschüttelnd von Anja Kasten, Straßenprostituierte aus Hannover. Wohnungsprostituierte Tanja aus Regensburg ringt nach Luft: „Ich könnte kotzen!“

Ich selber habe zunächst gedacht, dass sei ein Witz, denn ich konnte es nicht glauben, dass bei den knappen Haushaltsbudgets Steuergelder für so einen Schwachsinn ausgegeben werden.

„Aber das ist doch alles total gut gemeint. Was regt ihr euch denn auf?“ Das bekomme ich von Bekannten zu hören. Ja, das sieht auf den ersten Blick auch so aus. Aber ein Oberbürgermeister sollte auch einen zweiten und dritten Blick tun.

Denn wieder ein Mal wurden wir Sexarbeitenden nicht gefragt. Wieder einmal wissen andere, was für uns das Beste ist. Wieder einmal sind wir die Opfer, die wahlweise benutzt, gerettet oder abgeschafft werden sollen.

Unser größtes Problem sind nicht unsere Kunden. Die meisten von ihnen benehmen sich absolut passabel. Ja, es gibt unter den „Freiern“ auch Idioten, aber unser größtes Problem ist die gesellschaftliche Stigmatisierung. Und genau diese wird durch die Stuttgarter Kampagne manifestiert statt abgebaut. Die Staat will nach eigenen Worten eine Wertediskussion zum Frauenbild in der Gesellschaft, zu Sexualität und Partnerschaft anstoßen. Statt dessen wird hier mit Schubladen gearbeitet, die nicht zur Diskussion anregen, sondern die Bilder vom brutalen Freier und der wehrlosen Prostituierten verfestigen.

Was ist das für ein Frauen- und auch Männerbild, welches dort dargestellt ist?

Allenfalls wird es durch solche Maßnahmen zu einer Diskussion über die vermeintlich schlimmen Zustände in der Prostitution kommen, sicher aber nicht zu offenen Gesprächen über Wert- und Moralvorstellungen in der Gesellschaft und über damit verbundene Rollenzuweisungen.

Die Kampagne soll Zwangs- und Armutsprostitution ächten.

Doch das Geld hätte man lieber für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in unserer Brachen ausgeben sollen. Dazu müßte man die Zielgruppe jedoch Mal fragen, was sie denn wirklich brauchen und wo sie selber ihre Probleme sehen.

Auch sogenannte „Armuts-Prostituierte“ können nämlich denken und sogar sprechen.

Die Menschenwürde soll im Mittelpunkt stehen. Genau diese wird hier mit Füßen getreten.

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