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Das war meine erste internationale Veranstaltung zu Sexarbeitsrechten.
Nicht, weil es mir an Reiselust fehlt, sondern weil ich bisher jegliches Engagement meinerseits außerhalb Deutschlands komplett abgelehnt habe.
Warum?
Der Tag hat nur 24 Stunden, und mit der Aufgabe als bundespolitische Sprecherin des Berufsverbands habe ich wirklich genug zu tun. Zumal ich das ja im Ehrenamt mache - also, in meiner Freizeit.
Der Kampf oder sagen wir lieber das Engagement gegen das Sexkaufverbot war und ist sehr zeitaufwendig und zermürbend.
Doch unglaublicherweise wendet sich das Blatt ja gerade.
Es setzen sich plötzlich die sachlichen Stimmen in der Politk durch, die eine Freierbestrafung für nicht zielführend halten, wenn es um die Beseitigung von Zwangsprostitution und Ausbeutung in der Sexarbeit geht.
Im Koalitionsvertrag der neuen Regierung steht für das Thema „Prostitution“ nichts vom Sexkaufverbot.
Hier mein Bericht dazu. 1)
Irgendwie hatte ich das ja schon im Gespür, aber ich war mir nicht sicher.
Statt des Sexkaufverbotes steht dort schwarz auf weiß, dass die Ergebnisse der noch laufenden Evaluation des aktuelles Gesetzes genutzt werden sollen.
Seit über einem Jahr rede ich von so einer Kommission. Da dies auch schon bei anderen Gesetzgebungsverfahren angewandt worden ist, will ich nicht behaupten, dass das ich die Angeordneten drauf gebracht habe.
Nun wird es Zeit, dass unser Berufsverband nicht mehr nur „GEGEN“ das nordische Modell ist, sondern gute Forderungen und umsetzbare Lösungsvorschläge bringt.
Es ist nun der Zeitpunkt über die Grenze zu schauen.
Wie machen es denn die anderen Länder, die zum Teil schon viel mehr Erfahrung haben mit den Themen Arbeitsrechten, Menschenhandel und Graubereichen, Ausbeutung und vieles mehr.
Böse formuliert könnte ich sagen, dass diese ja nicht 5-7 Jahre verschwenden mußten, um sich mit den Befürworter*innen des nordischen Modells abzuarbeiten.
So war ich im April zwei Wochen in Belgien und habe mich umgesehen in dem ersten europäischen Land, welches den Weg der vollständigen Entkriminalisierung von Sexarbeit eingeschlagen ist. Ich berichtete darüber. 2).
Kurz gefaßt heißt das eigentlich, dass Sexarbeit so behandelt wird wie alle anderen Berufe auch.
Zwangsprostitution, Zuhälterei und Ausbeutung bleiben weiterhin strafbar. Das ist überall sonst auch der Fall - z.B. in der Landwirtschaft und auf dem Bau.
Nein, das ist in Deutschland nicht der Fall.
Warum nicht?
Prostitution ist doch legal in Deutschland.
Es gibt hier erstmal den sogenannten Hurenausweis 2). Wir müssen uns als Prostituierte bei einer Behörde registrieren und bekommen das besagte Dokument.
Ohne dieses dürfen wir in keiner legalen Prostitutionsstätte arbeiten, denn die Betreibenden sind verpflichtet diese Unterlagen zu kontrollieren.
Diese durchaus guten und sicheren Arbeitsplätze stehen den Nicht-Angemeldeten nicht zur Verfügung. Sie arbeiten bei sich Zuhause, in Ferienwohnungen oder Hotels oder besuchen ihre Kundschaft Zuhause.
Ein großer Teil der Sexarbeiten meldet sich nicht an, weil sie Angst vor dem Zwangsouting haben oder weil sie kleine Arbeitsgenehmigung in Deutschland haben. Sie werden somit zu Straftäter*innen und arbeiten illegal.
Dies betrifft alle Ortschaften unter 30.000 EW. Bis auf Berlin haben alle Städte großzügige Sperrbezirke. In München fast 95% des Stadtgebietes.
Oft arbeitet die Polizei mit Scheinfreiern und lockt die Sexworker so in eine Falle.
Die ist wirklich nur sehr kurz zusammengefaßt.
Ich war also im April viel Wochen in Belgien und traf mich mit der Beratungsstelle UTSOPI, welche entscheidend am belgischen Gesetz mitgearbeitet hat. Das kann man hier nachlesen. 3)
Und nun sollte es nach Utrecht in den Niederlanden gehen auf eine Konferenz, wo 4 Länder, die unterschiedliche Regularien für Sexarbeit anwenden, sich austauschen konnten.
Die Niederlande selber - Belgien - die Schweiz - und ich sollte für Deutschland sprechen.
Alle, die dort sprechen würden, kannte ich schon. So war meine Nervosität nicht ganz so groß, denn leider ist mein Englisch nicht so perfekt.
Mein Englisch ist prima für Sessions, aber bei Fachdiskussionen bin ich normalerweise raus.
Ich muss dazu sagen, dass ich einiges an Niederländisch auf der Schule gelernt habe, und gerade dabei bin, das wieder zu beleben.
So war ich verwundert, dass ich von den vielen niederländischen Vorträgen fast mehr verstanden habe als von den Englischen.
Das heißt auch Deutsch: "Konferenz - Vom Schutz zu Rechten" 4)
Die Konferenz wurde organisiert von der großartigen Marjan Wijers.
Ich kenne sie seit rund 10 Jahren, denn sie ist die Person, die in den Niederlanden die dortige Registrierung für Prostituierte verhindert hat.
Die selbe Methode konnten wir in Deutschland leider nicht anwenden.
Sie ist Wissenschaftlerin und hat mehr oder weniger ihr Leben der Verbesserung der Arbeitsbediungungen und der Entkriminalisierung und Entstigmatisierung von Sexarbeit verschrieben.
Menschenhandel ist natürlich auch eines ihrer Themen und kam auch auf der Konferenz vor.
Gerade der Bereich hat mich sehr zum Nachdenken angeregt.
Es gab dazu auf der Bühne eine Diskussionsrunde aus Sozialarbeitenden, Behördenmitarbeitenden und auch Politiker*innen.
In Deutschland kommen auch Diskussionsrunden zum Thema Menschenhandel immer wieder von den praktischen Beispielen, wie geholfen werden könnte ab, denn sie müssen sich gegen das nordische Modell positionieren.
Was ich mitnehme ist, dass es viel mehr Vernetzung zwischen den einzelnen Protagonisten und Ländern geben muss. Man kann sehr viel Arbeit sparen, wenn man nicht alles selber ausprobiert, sondern schaut, was wo anders gut oder schlecht läuft.
Grundsätzlich hat sowohl die Expertengruppe auf der Bühne als auch die anwesenden Nachbarländer fast identische „Probleme“. Austausch und Zusammenarbeit wäre sehr sinnvoll.
Zu den anderen anwesenden Ländern möchte ich nur so viel sagen, dass Belgien sich wunderbar als Vorbild eignet was Arbeitsrechte für Sexarbeitende anbelangt. Das dort angewendete Modell der Entkriminalisierung ist sehr nachamenswert.
Bezogen auf die Prostitutionsstätten ist Deutschland in vielen Bereichen weiter, und das muss auf jeden Fall auch in Deutschland optimiert werden. Dazu wird die oben schon erwähnte Evaluation hoffentlich genug Material liefern.
Was mich in Belgien begeistert hat, ist der unkomplizierte Umgang mit der ganzen Schaufenster-Prostitution in den Innenstädten.
Die Niederländer entfernen sich ja leider sehr davon und schließen immer mehr dieser Schaufensterstraßen und auch komplette Straßenstiche.
Die Schweiz hingegen hat es gefühlt in jedem etwas größeren Dorf einen kleinen Puff.
Und in Genf gibt es ein Vorzeigeobjekt. Dank einer extrem großzügigen Spende konnten zwei Wohnbocks mitten in der Stadt gekauft werden und nun den Sexarbeitenden faire Arbeitsplätze bieten. 5)
In den Niederlanden ist interessanterweise fast überall Prostitution außerhalb der Prostitutionsstätte verboten.
Es dürfen also keine Haus- oder Hotelbesuche gemacht werden, und eigenständige Sexworker dürfen sich kein Arbeitszimmer Zuhause einrichten oder sich eines anmieten.
Gut zu wissen, dass nicht alles an Regelungen in Deutschland schlecht ist.
Ansonsten ist es überall das gleiche mir den fehlenden Krankenversicherungen und der mangelnden Altersabsicherung. Da wäre Austausch und Zusammenarbidet sehr ratsam.
Im Punkto Professionalisierung von Sexarbeitenden gibt es auch in den anderen Ländern noch keine guten Konzepte. Daran könnte man ja auch gemeinsam arbeiten, denn gerade migrantische Sexarbeitende sich oft auch in verschiedenen Ländern tätig.
Ich könnte seitenlang noch weiter schreiben, aber das Wichtigste ist, dass nun der Kontakt hergestellt ist, und wir in Zukunft auch für die Politk gemeinsame Konzepte entwickeln können.
Und ich möchte hier noch mal an einen großen Dank aussprechen an Marjan Wijers und ihre Helfer*innen für die Konferenz.
Weiterhin möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass die Organisation ESWA 6) auf eropäischer Ebene großartige politische Arbeit für die Sexarbeitsbranche leistet. Infos -> https://www.eswalliance.org/
Quellen:
zu 1)
Blogbeitrag über den Koalitionsvertrag und was es heißt, dass das Sexkaufverbot nicht drin steht
-> https://www.berufsverband-sexarbeit.de/sexkaufverbot-steht-nicht-im-koalitionsvertrag
zu 2)
Blogbeitrag, warum sich in Deutschland soi wenige Sexworker anmelden
-> https://www.berufsverband-sexarbeit.de/meldestatistik-prostitution-2022/
zu 3)
Blogbeitrag über meine Recherchereise nach Belgien
-> https://johannaweber.de/blog/ein-monat-sexarbeits-recherche-in-belgien-live-blog/
zu 4)
Infos über die Konferenz in Utrecht - Van bescherming naar rechten. Sekswerk als werk
-> https://www.wo-men.nl/conferentie-van-bescherming-naar-rechten-sekswerk-als-werk
zu 5)
Sozial-Bordell in Genf
-> https://www.20min.ch/story/genf-schuetzt-prostituierte-103307552
zu 6)
ESWA - The European Sex Workers' Rights Alliance
-> https://www.eswalliance.org/