Shades of Grey und der Sklavenvertrag

Was hält die Domina und SM-Freundin davon

Johanna Weber -- 21.02.2015   Themen: Film Gedanken

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„Wie realistisch ist denn das?“, scheint die Standardfrage von Journalisten zu diesem Thema zu sein. Interessanterweise zweifelt die Presse den Wahrheitsgehalt dieses Hollywoodschinkens sofort an, während Horrorgeschichten von White Slavery in der Prostitution selten hinterfragt werden, sondern plakativ als Tatsache dargestellt werden.

Aber, komme ich zum Thema zurück.

Ich beschreibe jetzt nicht, worum es in dem Roman geht, denn das weiß wahrscheinlich eh jeder der hier Lesenden.
Interessant ist ja vielmehr das Drumherum.

Hat Shades of Grey der SM-Szene zu mehr Akzeptanz verholfen?

Als das Buch rauskam habe ich mir einen Kommentar erspart. Aber immerhin las ich es. Ich kaufte es mir auf Englisch, denn so konnte ich mich hinter dem vermeintlichen Anspruch des Fachvokabelnlernens verstecken. Hat gut geklappt, und es war leichter zu lesen als Harry Potter. Das will ja schon was heißen...

Bestätigen kann ich, dass der Roman stärker auf Frauen wirkt als auf Männer, denn zumindest der jugendliche und weibliche Teil meines Bekanntenkreises schien das Buch verschlungen zu haben.

Die Kommentare gingen von „Ach, jetzt weiß ich endlich was du so machst auf der Arbeit,“ bis hin zu „Nimmst du mich Mal mit auf eine SM-Party?“

Hä, was war denn da los?
Habe sogar zwei Freundinnen mitgenommen auf eine Party -> Bericht HIER

Was Shades of Grey alles so anrichtet. Es steckt viel drin, um Buch und Film zum Verkaufshit zu machen. Eine Prise American Dream, eine Prise Märchen.... SIE das hässliche Entlein, ER der Prinz, der sie wach küßt...

Und obwohl Christian Grey immer wieder beteuert, dass er von Romantik keine Ahnung hat, trieft die ganze Handlung nur so davon. Der begehrteste Junggeselle der Welt läuft der einzigen Frau hinterher, die sich ihm nicht sofort vor die Füße wirft.

Und wie viel SM steckt denn nun wirklich drin?

90% des Films handeln von der Liebesgeschichte der beiden. Es geht dabei nicht wirklich um das Leben mit SM, sondern darum, dass irgendwas bei Mister Grey anders ist.

Die wenigen Dialoge, die wirklich dem Thema SM zuzuschreiben sind, halte ich für ungeschickt. So fragt die Hauptdarstellerin den Traummann verunsichert: “Warum sollte ich mich von dir auspeitschen lassen?“ Hier müßte ein so kluger Mann wie Christian Grey eine wesentlich vertrauenserweckendere Antwort geben als: „Zu meinem Vergnügen!“ Mister Grey hätte sagen sollen „Weil du es willst. Für mich und für dich.“ Und dann müßte er sich viel Zeit nehmen und das Spiel, welches SM ausmacht, zu erklären versuchen. Das tut er im ganzen Film nicht. Auch die wenigen SM-Spiel-Szenen im Film sind zwar sehr lustvoll inszeniert, das Wesen von SM erschließt sich dabei aber nicht.

Die Krawattenfessel-Nummer ist schon ganz inspirierend aber monieren möchte ich den Einsatz des Floggers in einen anderen Spiel.

Man schlägt doch nicht auf den Bauch. OK, Grey hat sehr soft geschlagen, dabei geht sicher nichts kaputt. Aber der Bauchbereich ist selten eine lustvolle Region was Schläge anbelangt. Die Untere Po-Hälfte und die Schulterblätter wären für eine Anfängerin genau das Richtige, um sie für diese Art von Spiel zu gewinnen.

Und dann dieses alberne Getue um den Vertrag, den Grey mit seiner zukünftigen „Sklavin“ machen will. Völlig unrealistisch.

Dieses Manifestieren der SM-Beziehung durch amtliches Dokument ist mehr Kopfkino als Realität. Ja, es gibt Beziehungen, die tatsächlich ein solches Schriftstück haben, doch das ist selten. Für die meisten gelten mündliche Absprachen, und gerade bei einer Anfängerin wie Anastasia Steel führt ein solcher Vertrag doch zur völligen Überforderung, was ja im Film auch sehr gut dargestellt wird. Erschwerend kommt hinzu, dass Grey sie nötigt ein Verschwiegenheitsdokument zu unterschreiben, wodurch sie sich nicht Mal mit ihrer besten Freundin oder Mutter austauschen und beratschlagen kann. Ein echtes Dilemma für eine so junge und sexuell völlig unerfahrene Frau. Interessanterweise gilt diese Regel nur einseitig, denn Herr Grey darf sehr wohl mit einer früheren Spielpartnerin über seine Beziehung zu Anastasia Steel sprechen und tut das auch.

Was mir allerdings im Film sehr gut gefallen hat, ist das Spielzimmer. Sehr edle Möbel, hochwertige Spielsachen, lustvolles Ambiente. Schön, dass vom klassischen schwarz/rot abgesehen wurde.

Aber so richtig gespielt haben die beiden ja gar nicht. Es ging immer nur um kurze SM-Elemente, die ins Vorspiel eingebaut wurden, und dann ging es eigentlich ganz normal weiter. Dagegen ist nichts zu sagen, denn das kann auch Mal sehr lustvoll sein, aber zu Recht sagen viele Kenner, dass das doch kein SM ist.

Was ich aber erstaunlich und sehr positiv finde, ist dass sehr viele Menschen durch Shades of Grey neugierig geworden sind.

Und wenn sich dann diese Neugier auch in Experimentierfreude umwandelt, dann wäre das ein großer Schritt zu mehr Lust in deutschen Schlafzimmern. Zumindest scheint SM ein wenig aus der Schmuddelecke raus zu kommen. Vielleicht ist SM noch nicht IN, aber es ist verwegen und cool und muss bei dem Film als nötige Würze herhalten, um ihn zum Kassenschlager zu machen.


Interview mit mir für die MAZ zu dem Thema
mit Video über meine Einstellung zur Arbeit als Domina:
-> http://www.maz-online.de/Domina-urteilt-ueber-Fifty-Shades-of-Grey

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