Zwangs-Feedback nach der Session?

Vom Bedürfnis einfach zu schweigen

Johanna Weber -- 21.09.2020   Themen: Anfänger Gedanken Kompliziertes

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Manchmal gibt es Sessions, die sind in irgendeiner Art sehr bewegend. Ich spüre, dass viel passiert ist bei meinem Gegenüber. Bei mir natürlich auch, denn ich lebe ja von diesen Emotionen im Spiel. Früher fand ich es immer super Schade, dass ich nur so selten erfahre, wie das Erlebnis im Nachgang bewertet wird. Mittlerweile bin ich damit sehr entspannt, denn ich spüre schon ob es gut war oder nicht.

Ich sehe es als Bestandteil meines Berufes, dass meine "Kunden" nach dem Sex einfach gehen dürfen und nicht „gezwungen“ sind zu Feedback. Einfach bei sich sein zu dürfen und schweigen zu dürfen ist ein Bestandteil meiner Dienstleistung. Natürlich gibt es auch Menschen, die genau dieses Sprechen über die Gefühlswallungen besonders toll finden, aber um diese geht es mir hier nicht. Außerdem ist auch nicht jede Session so tiefgreifend, dass man wochenlang zitternd in der Erinnerung schwelgt. Aber so etwas kommt vor.

Liebevoll zugewandt bin ich den Menschen, die schon mit schlechtem Gewissen bei mir eintreffen.

Das Paket, was diese mitbringen, hat nichts mit mir persönlich zu tun. Deshalb kann ich auch sehr entspannt damit umgehen. Ich spüre natürlich diese Schieflage, und dass diese Menschen sich oft einfach selber im Weg stehen. In der Regel sind es ja die in unserer Gesellschaft üblichen Verhaltensmuster, die gerade im Bereich Sexualität wenig mit den wirklichen Bedürfnissen zu tun haben. Ja, natürlich gibt es jede Menge junger Leute, die auf tinder oder sonstwo fröhlich durch die Gegend vögeln, aber das gesellschaftliche Ideal ist immer noch die heterosexuelle Zweierbeziehung. Irrsinningerweise wird immer noch von diesem Leitbild ausgegangen, Beziehungen hielten ein Leben lang und seien außerdem die alleinige Basis für das Stattfinden von Erotik. Und genau dort wird das Thema dann unter dem Siegel der intimen Diskretion totgeschwiegen. Unsere Gesellschaft motiviert uns nicht, über die eigene Sexualität und die Wünsche und Bedürfnisse dabei nachzudenken. Schon gar nicht lernen wir, mit dem Partner darüber zu reden.

Es wird sehr viel verdrängt. Verdrängung muss nicht pauschal schlecht sein.

Gerade beim Thema Erotik ist das Schade, wenn Phantasien nicht gelebt werden, und manchmal funktioniert es mit der Verdrängung eben auch nicht.

Es kommen immer wieder Menschen zu mir, die sich schämen für ihre Phantasien, für ihre Wollust, für ihre eigentlich ganz normalen Wünsche nach etwas ausgefallener Zärtlichkeit,.... und es wird sich auch geschämt, dass man es nötig hat zu mir zu kommen oder überhaupt der Erotik so viel Wichtigkeit beimißt. So was muss man sich doch verkneifen können, wird oft gedacht. Ich finde das natürlich nicht, und ich kann nur versuchen eine entspannte Atmosphäre zu erzeugen.

Ich möchte die mitgebrachten Phantasien wertschätzen und zeigen, dass ich mich weder wundere oder entsetzt bin, noch über die Begierden lache oder sie abwerte.

Fast immer erlebe ich mit diesen Menschen eine wunderbare Session. Nicht selten kommt es vor, dass genau diese nach der Session von ihrem eigenen Wertekorsett wieder eingefangen werden. Die Scham siegt und der bittere Nachgeschmack ist da. Anstatt die wunderbare Session zu genießen und beschwingt in den Tag zu gehen, kleiden sie sich fast reflexartig an und „Ja, Danke, ich muss jetzt los....“

Und sie dürfen dann auch einfach gehen. Und sie dürfen gerne auch wiederkommen.

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