Geschichten aus fast 30 Jahren Sexarbeit

Lebendiger Online-Vortrag zum Anschauen

Johanna Weber -- 30.11.2020   Themen: Kolleg*innen Persönliches Politik

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Nein, ich bin nicht seit 30 Jahren in der Sexarbeit aktiv, aber ich habe wirklich mit 25 angefangen. Damals hießen wir noch Prostituierte. Mit dem aktuell benutzten Begriff, Sexarbeit, habe ich lange gefremdelt. Aber mittlerweile finde ich ihn sehr passend. Er lehnt sich ja an das internationale Wort Sexwork an, und das paßt für mich gut als neutraler Überbegriff. Aber genug davon. Am Freitag, den 4.12.20 konnte man mich LIVE erleben. Naja, fast live. Corona machte es möglich, dass man nicht nach Bochum fahren musste, um meine Darbietung zu erleben, sondern gemütlich auf eurem Sofa sitzend teilnehmen konnte. Und das könnt ihr auch immer noch, denn es gibt eine Aufzeichung.

Warum eigentlich Bochum? Ja, weil die Beratungsstelle, Madonna, in Bochum ist. Diese hat ein Sexarbeitsarchiv und Dokumentationszentrum. Und genau dieses wurde 20 Jahre alt.
Das Archiv ist eine wahre Fundgrube an Materialien und Informationen aus verschiedensten Epochen der Sexarbeit. Seine Arbeit bestreitet das Archiv zum großen Teil ehrenamtlich. Ich ziehe meinen Hut. Spenden sind erwünscht.

Dass nun ausgerechnet ich angefragt wurde, den Vortrag zu Ehren des Jubiläums zu halten, ist eine längere Abhandlung, die nicht hierher gehört.

Ich bin keine Historikerin, aber es gibt ja auch lebendige Geschichte. Und genau das ist mein Ding. Ich möchte die Menschen und deren Geschichten darstellen, die meinen Weg in der Sexarbeit begleitet und geformt haben.

Ich möchte erzählen von den ganzen AHA-Erlebnissen, die ich in dieser unglaublich vielschichtigen Branche erlebt habe. AHAs, die mich zum Nachdenken und zum Verstehen gebracht haben.

Ich möchte von schönen und traurigen Situationen erzählen, Dinge zum Lachen und Dinge zum Nachdenken. Und ich möchte auch zeigen, warum es selbst für mich oft schwierig ist diese Branche als Gesamtes zu erfassen.

Wer mich kennt, weiß, dass ich eine alte Rampensau bin, und sehr unterhaltsam Geschichten zum Besten geben kann. Aber ich bin ebenso neugierig und freue mich bei solchen Veranstaltungen sehr über kritische Fragen. Ich möchte auch die Schattenseiten meiner Branche nicht auslassen. Ebenfalls lade ich dazu ein auch vermeintlich intime Fragen zu stellen. Frangen, die einem nur schwer über die Lippen gehen.
Intimität ist mein Beruf.
Es ist für mich kein Tabubruch, sondern völlig normal, über meine Empfindungen betreffend Erotik zu sprechen.

Die Überschrift des Abend lautete:

Sexarbeit - Vortragsreise durch verschiedene Lebenswelten zwischen Stigma und Vorurteilen

Der Ankündigungstext gefällt mir nach wie vor sehr gut. „Johanna Weber ist 52 und hat im Alter von 25 Jahren mit der Sexarbeit begonnen. Zu Madonna hat sie einen besonderen Bezug, denn auf den Feierlichkeiten 2012 zum letzen runden Geburtstag entstand bei den anwesenden Sexarbeitenden die Idee zur Gründung eines Berufsverbandes. Der BesD ist mittlerweile der größte Sexarbeitenden-Verband Europas und arbeitet deutschlandweit.

Der Vortrag zu Ehren des Madonna-Archives wurde eine lebendige Reise durch ein viertel Jahrhundert Begegnungen mit Kolleginnen.“

Ich hatte mir einige Stories zurecht gelegt, und plauderte dann einfach drauf los. Ich erzählte vom Loverboy-Opfer, dass sich für 50.000 Euro frei kaufte, von der selbsternannten Balkan-Hure, vom Hotelpagen, der die Escortdamen „getestet“ hat, von alleinerziehenden Müttern, denen das Bordell die Möglichkeit gab, ihren Kindern auch mal ein Eis zu kaufen, von Anhänigkeitsverhältnissen einerseits und von gelebter Freiheit andererseits.

Eine Reise zu den unglaublichen Gegensätzen und der Vielfalt in unserer Branche, und zu dem Thema was alle gemein haben: STIGMA.


Die Aufnahme findet sich auf der Webseite des Madonna-Archives.


Und wer mich für einen solchen oder ähnlichen Vortrag buchen möchte, darf gerne anfragen -> info@johannaweber.de

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