Strumpfetisch in der Vorleser von Bernhard Schlink

Zitat aus der schönsten Strumpf-Passage

Johanna Weber -- 16.04.2012   Themen: Kunst&Kultur Strumpffetisch

Das Bild zeigt eine Frau im Korsett, die sich Strapsstrümpfe anzieht

In der Vorleser von Bernhard Schling verliebt sich der 15jährige Michael Berg in eine 21 Jahre ältere Frau. Es geht in dem Roman nicht nur um besondere erotische Leidenschaften, sondern auch um die nationalsozialistische Vergangenheit der Hauptdarstellerin. Mit Letzterem beschäftigt sich heutzutage jede Schulklasse, somit wende ich mich den erotischen Leidenschaften des Romanes zu.

Eine sehr schöne Passage aus dem Buch ist jene, in der Michaels Passion für Strümpfe erwacht.
Er stellt sich hier als ICH-Erzähler dar:

„Ich wartete im Flur. Sie zog sich in der Küche um. Die Tür stand einen Spalt auf. Sie zog die Kittelschürze aus und stand in hellgrünem Unterkleid.

Über die Lehne des Stuhls hingen zwei Strümpfe. Sie nahm einen und raffte ihn mit wechselnd greifenden Händen zu einer Rolle. Sie balancierte auf einem Bein, stützte auf dessen Knie die Ferse des anderen Beins, beugte sich vor, führte den gerollten Strumpf über die Fußspitze, setzte die Fußspitze auf den Stuhl, streifte den Strumpf über Wade, knie und Schenkel, neigte sich zur Seite und befestigte den Strumpf an den Strumpfbändern. Sie richtete sich auf, nahm den Fuß vom Stuhl und griff nach dem anderen Strumpf.

Ich konnte die Augen nicht von ihr lassen. Von ihrem Nacken und von ihren Schultern, von ihren Brüsten, die das Unterkleid mehr verhüllte denn verbarg, von ihrem Po, an dem das Unterkleid spannte, als den Fuß auf das Knie stützte und auf den Stuhl setzte, von ihrem Bein, zuerst nackt und blaß und dann im Strumpf seidig schimmernd. Sie spürte meinen Blick. Sie hielt im Griff nach dem anderen Strumpf inne, wandte sich zur Tür und sah mir in die Augen. Ich weiß nicht wie sie schaute - verwundert, fragend, wissend, tadelnd. Ich wurde rot....

... Jahre später kam ich drauf, dass ich nicht einfach um ihrer Gestalt, sondern um ihrer Haltungen und Bewegungen willen die Augen nicht von ihr hatte lassen können. Ich bat meine Freundinnen Strümpfe anzuziehen, aber ich mochte meine Bitte nicht erklären, das Rätsel zwischen Küche und Flur nicht erzählen. So kam meine Bitte als Wunsch nach Strapsen und Spitzen und exotischer Extravaganz an, und wenn sie erfüllt wurde, geschah es in koketter Pose.
Das war es nicht, wovon ich meine Augen nicht hatte lassen können.
Sie hatte nicht posiert, nicht kokettiert.“


Zitat: Seite 15ff
Schlink, Bernhard: Der Vorleser, Diogenes Verlag Zürich, 1995
Hier bestellen oder im Buchhandel direkt vor Ort -> https://www.diogenes.ch/leser/titel/bernhard-schlink/der-vorleser-9783257229530.html

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