10 Fragen an Bizarrlady Annabel Schöngott

Nicht nur weil ich es kann, sondern weil mir das wirklich Spaß macht

Johanna Weber -- 28.01.2024   Themen: Kolleg*innen

Johanna Weber und Annabell Schöngott beim Sektfühstück

1) Du warst ja nicht von Anfang an Annabel Schöngott, sondern hattest einen anderen Namen. Wie kam es zu dem Wechsel?

Das hat so angefangen, dass ich im Dominastudio Avalon gearbeitet habe. Das war mein erster Job in der dominanten Sexarbeit. Da wußte ich noch gar nicht so genau was eigentlich meine Lieblings-Kinks sind. Ich hab mich da erst reinfuchsen müssen und mich auch selber neu entdeckt. Mir war klar, dass ich als BDSM-Dienstleisterinnen arbeiten möchte. Nur noch nicht wie genau.
Ich wußte, dass BDSM ein Thema ist, was ich total spannend finde, aber mir war noch nicht ganz klar, was mich richtig kickt.
Ich habe schnell bemerkt, dass blutige Geschichten nicht Meins sind und die ganz strengen Szenarien. Mir macht das Bizarre einfach Spaß, das Spielerische und ich liebe es in unterschiedliche Rollen zu schlüpfen. Ich habe einfach gemerkt, dass ich keine klassische Domina, sondern Bizarrlady bin. Das ist eine spannende Selbstfindung gewesen. Nicht nur weil ich es kann, sondern weil mir das wirklich Spaß macht. Das ist total meins. Da verstelle ich nicht, sondern das bin ich, bzw ein Teil von mir. Jeder Mensch hat ja nicht nur eine Facette, sondern ist ein Strauss Blumen.
Ich bin spielerisch und manchmal auch streng. Meine Spielpartner*innen zu ärgern und die Macht zu haben, macht mir Spass, aber ich habe trotzdem eine starke liebevolle Seite.

2) Ist es mehr Spiel als Machtgefälle?

Ja und Nein. Machgefälle ist bei mir schon immer da. Ich spiele nicht auf Augenhöhe, auf der Sub-Seite und switche auch nicht. Trotzdem ist das immer spielerisch. Wenn jemand es braucht, liebe ich es auch jemand in den Arm zu nehmen und Mutti oder Freundin zu sein. Ich habe sogar einen Gast, der mich Mami nennt.
Es geht dabei nicht um das klassische Machtgefälle, wie man sich das von typischen Dominas vorstellt, aber ich habe schon sehr gern die Führung.

3) Und wie kam es zu dem Namen Annabell Schöngott?

Zu Beginn hieß ich Nora van Nostra und hatte lange schwarze Haare. Und so nach einem Jahr im Avalon habe ich alles Revue passieren lassen und zeitgleich hatte ich Lust meine Haare blond zu färben. Da wurde mir bewußt, dass Nora von Nostra nicht zu mir passt. Ich will mich rebranden!
Ich hatte dann blonde Haare, war in der bizarren Welt zu Hause und habe in meinem Umfeld nach Inspiration gefragt, welcher Name mich gut widerspiegelt. Ein sehr kreativer Bekannter kam dann auf die Idee, dass Schöngott gut passen würde. Fand ich gleich super. Und dann brauchte ich ja noch einen Vornamen, und Annabel fand ich einfach gut. Erinnerte mich an den gleichnamigen Film. Damals war mir noch nicht bewusst, dass Annabel ein häufig verwendeter Name in unserer Branche ist.
Da ich sehr gern Frau Schöngott genannt werde, spielt das jedoch keine Rolle mehr.

4) Du bist immer so perfekt gestylt und dann diese Vorliebe für schmutzige Sachen. Wie passt das zusammen?

Ich mochte schon von klein auf verrückte Geschichten. Ich war eine Leseratte. Ich liebte schöne Kleider und ich habe es geliebt im Schmutz zu spielen. Mit dem schönen Kleid.

Wir lachen beide

Ich hab das als ich klein war nie verstanden, warum man schöne Kleider nicht zum Spielen im Schmutz anzieht. Warum nicht? Die kann man doch waschen.
Und das habe ich bis heute beibehalten.
Die verrückten Geschichten finden sich in Rollenspielen wieder. Je ungewöhnlicher um so besser. Gerne auch Sachverhalte, die über die gesellschaftlichen Konventionen hinausgehen. Ich liebe es Geschichten umzusetzen, die über die gesellschaftlich akzeptierten Konventionen hinaus gehen.
Das ist meiner Meinung nach ein Spiel. Und im Spiel ist alles erlaubt, was beide gut finden.
Ich habe selbst auch Phantasien, die gemeingültig verurteilt werden. Eine verrückte Wissenschaftlerin, die seltsame Experimente durchführt zum Beispiel. Ich lebe diese Rolle ja nicht im Alltag und würde das auch nicht leben wollen. Für mich sind das zwei Paar Stiefel und das ist auch ein Grund warum ich BDSM liebe. Weil es den Raum schafft um im Konsens in Rollen zu schlüpfen, die mir sonst verwehrt sind. Kurz gesagt: Es darf wirklich jeder mit seinen verborgenen Vorstellungen zu mir kommen. Ich verurteile nichts was niemandem schadet. Man muss sich bei mir nicht schämen. Das ist mir sehr wichtig. Ich komme gar nicht auf die Idee in Bewertungsgedanken zu verfallen. Ich denke eigentlich sofort daran wie ich das umsetzen kann.

Und ich bin gerne schmutzig. Ich habe da überhaupt keine Berührungsängste. Als ich anfing mit SM, habe ich erst gemerkt, dass andere Menschen da Berührungsängste haben und die Nase rümpfen bei Körperflüssigkeiten. Das ist bei mir anders. Diese Vorbehalte kenne ich nicht.

Und schöne Kleider liebe ich wie gesagt auch immer noch.

5) Apropos Kleider - bei dir dürfen ja nicht nur Frauen Kleider tragen. Du hast auf deiner Webseite eine Rubrik Queer. Was heißt das für dich?

Mir ist das Geschlecht meiner Mitspieler*innen nicht wichtig. Alle Menschen sind bei mir willkommen die sich an meine Regeln halten und deren Kinks mit meinen kompatibel sind. Mir geht es um das Spiel. Und mit Gender darf auch gespielt werden. Die zwischenmenschliche Chemie ist mir wichtig. Alles andere spielt für mich eine untergeordnete bis gar keine Rolle.

6) Die Frau als Kundin?

Ich weiß noch wie ich meine erste Anfrage von einer Frau, bzw Flintaperson bekam. Ich habe mich sehr gefreut. Früher hatte ich bereits erotische Massagen angeboten für Females und da hatte ich schon weibliche Gäste. Und ich habe ja auch Kurse besucht über Yoni-Massagen und Squirting. Natürlich möchte ich meine Skills auch anwenden und es macht mir einfach Spass mit Gäst*innen zu arbeiten. Diese Sessions haben nochmal eine ganz eigene Energie.
Was sind das für Frauen, die zu mir kommen?
Manche definieren ihre Sexualität als bi oder lesbisch. Andere sind sich unsicher und möchten einfach mal über den Tellerrand spüren. Ich denke, dass jeder Mensch eine Definition von der eigenen Sexualität haben kann , jedoch ist sie mir nicht wichtig. Manchmal verändert sich diese auch und das ist ebenso toll und willkommen bei mir.
Wie viele Frauen bin ich so erzogen worden, dass ich als Mädchen tun musste was man mir sagt, ich mich ‚gut‘ benehmen sollte, einen gesellschaftlich anerkannten Beruf erlerne und dann eine Familie gründen sollte. Jedoch schwamm ich schon von klein auf gern den Strom, wollte mit meinen schönenen Kleidern Staudämme im Bach bauen und mit einem Werkzeugkasten spielen. Es braucht viel Kraft, um sich aus diesen von kleinauf antrainierten Mustern zu lösen. Gerade im Bereich der Sexualität und gerade für mich als Frau und ich freue mich, wenn ich andere Frauen dabei unterstützen kann aus gewohnten Mustern auszubrechen.

7) Du hast ja zuvor schon Massagen angeboten. Was war das genau?

Meine Leidenschaft ist neben BDSM bis heute Tantra und erotische Massage. Beim Tantra ist nicht der Orgasmus das Ziel. Der Orgasmus kann zwar sein, aber es geht nicht darum. Tantra ist absichtslos. Die erotische Massage legt es im Gegensatz dazu ganz bewusst an zu teasen und die Libido anzuheizen. Leider bekommt die erotische Massage nicht die gleiche Akzeptanz, wobei sie meiner Meinung nach genauso ein wichtiges Tool ist auf der Entdeckungsreise zur eigenen Sexualität.
Ich habe das Gefühl, dass erotische, bzw sexuelle Handlungen immer noch verteufelt werden und als schmutzig angesehen werden. Hier fehlen mir andere Blickwinkel.
Die erotische Massage kann eine wichtige Erfahrung sein um Berührung neu zu erfahren.
Und ja - ganz bewusst an Erotik gekoppelt. Warum auch nicht? Für manche Menschen ist das augenöffnend. Sie bekommen das Gefühl begehrt und akzeptiert zu werden. Das ist ein spannender Gefühlscocktail, der dabei geweckt wird und dabei können auch schonmal Tränen fliessen. Natürlich habe ich das auch nicht einfach so angeboten, sondern zahlreiche Kurse und Fortbildungen besucht.

8) Und wie kam es dann zum Wechsel?

Das ist eine ganz lustige Geschichte. ich hatte eigentlich gar nicht vor zu BDSM zu wechseln. Das war ein fließender Übergang. Ich war eigentlich schon immer vielfältig interessiert und aktiv. Hab das aber nie so im Zusammenhang mit BDSM gesehen.
Eines Tages habe ich einen Menschen massiert, der mich bat ihn währenddessen zu beleidigen. Ich war zunächst verwundert, aber als ich über meinen Schatten sprang, fühlte es sich so gut an. Das war eine Selbstentdeckung, und dann habe ich zügig den Profi-SM-Kurs im Studio LUX besucht, bin danach ins Avalon reinspaziert und habe einfach gefragt, ob ich da anfangen kann.

9) Gehen wir noch einen Schritt zurück. Du hast ja ganz früher auch was „Anständiges“ gemacht. Wieso hast du damit aufgehört?

Ja, ich habe viele Jahre etwas anderes gemacht. Ich steige am besten an dem Punkt ein als ich Shop-Managerin war. Darüber bin ich hinausgewachsen und habe andere Shop-Manager gecoacht, wie sie mehr Umsatz machen indem sie ihre Warenpräsentation verbessern und ihre Kennzahlen dazu im Auge behalten können. Saisonale Modetrends waren dabei auch ein grosses Thema.
Ich war super viel unterwegs - deutschlandweit.
Die ersten Jahre war ich total glücklich.
Irgendwann kam ich auch in den internationalen Aussendienst und habe einige Jahre die Neueröffnungsphasen für die Expansion im Ausland geleitet. Ich musste mich stark durchsetzen, wurde als sehr streng wahrgenommen und schlüpfte auch in diese Rolle um den Anforderungen standzuhalten.
Glücklich war ich dabei schon lange nicht mehr. Es war ein schleichender Prozess. Ich hatte kein Privatleben mehr und war selten Zuhause. In diesem Hamsterrad, habe ich gar nicht mehr großartig überlegt oder reflektiert. Ich kam irgendwann in ein Team, mit denen ich mich nicht gut verstanden habe, und so ging der langsame Prozess weiter.
Ich finde es ganz schwierig, wenn ich etwas machen muss was man mir vorgibt. Das ist ja im angestellten Arbeitsverhältnis oft so und das ist einfach nichts für mich.
Ich war immer am glücklichsten, wenn ich in einem Job freie Hand hatte und dann auch am besten. Zudem hat es mir nie gefallen wie mit Menschen umgegangen wird und wie Teamführung praktiziert wird. Die zwischenmenschlichen Tricks und Kniffe des Managements waren und sind mir immer ein Graus gewesen.
Ich hoffe, dass ich mich nie wieder damit auseinandersetzen muss.

10) Und wenn du das mit deiner jetzigen Tätigkeit vergleichst?

Die Sexarbeit ist für mich die totale Freiheit. Ich mache was ich möchte und was mir Spaß macht. Ich kann mir meine Zeit frei einteilen, kann jederzeit sagen, dass ich mal eine Woche in den Urlaub gehe, und ich kann meine Grenzen selbst stecken und auch jederzeit verändern. Ich denke, dass meine Erfahrungen aus der beruflichen Laufbahn zuvor mir sehr geholfen haben diese Veränderung zu schätzen.
Sexarbeit hat mich viel gelehrt über mich selbst. Zunächst habe ich viel über meine Grenzen gelernt und auch über meine eigene Sexualität.
Und die Reise ist ja auch noch nicht zu Ende.

Zudem habe ich einen neuen Blick auf Menschen bekommen. Es ist erleichternd für mich zu spüren, dass doch so viel Menschlichkeit in uns ist. Verunsicherung. Ängste. Sie sind überall und das macht uns Menschen sehr liebenswert für mich. Verletzlichkeit ist sexy.
Alle wollen geliebt werden und uns fehlt Berührung. Das wird so unterschätzt.
Sexarbeit ist Friedensarbeit. Leider wird das gar nicht gesehen.

Eine weitere Erkenntnis durch Sexarbeit ist sehr wertvoll für mich.
Ich habe entdeckt wie bedeutungslos optische Merkmale sind und wie gut zwischenmenschliche Chemie fliessen kann, wenn ich meine Schubladen zumache. ich begegne Menschen jetzt noch vorurteilsfreier als vorher.


Link zur Webseite von Annabel Schöngott -> https://annabelschoengott.de/

Online Termin Buchen

Kalender / Termine